Mit und ohne Kopftuch, Kippa oder Perücke – «Mann und Frau in den Religionen».

 

Ein Bericht von Max Heimgartner (AIRAK) über die Interreligiöse Tagung vom Sonntag, 11. Juni 2006 im Gemeinschaftszentrum Telli, Aarau.

«Wie kommen Frau und Mann in den verschiedenen Religion vor?» So fragte die von verschiedenen Aargauer Religionsgemeinschaften gemeinsam organisierte Tagung. Vertreterinnen und Vertretern aus dem Judentum, der reformierten und römisch-katholischen Landeskirche, dem Islam, und den Baha’i hatten den Tag vorbereitet, der von ca. 90 Personen, darunter auffallend viele Jugendliche, besucht wurde. Der Anlass nimmt die Anliegen des seit Jahren im Aargau tätigen interreligiösen Arbeitskreises (AIRAK) auf.

Im Podiumsgespräch ging es um persönliche Wahrnehmungen der Rolle als Mann oder Frau in der eigenen Religion. Eva Pruschy, Jüdin, meinte, die biblischen Gebote seien geschlechtsneutral, in den jüdischorthodoxen Gottesdiensten hätten jedoch allein die Männer das Sagen, was bei den Liberalen aber anders gehandhabt würde. Alper Altintas, Muslim, alleinerziehender Vater, betonte, wir seien vor dem Schöpfer alle gleich. Es gelte, Kultur und Religion zu unterscheiden und sich gegen die
Kultur zu entscheiden, wo diese ein Geschlecht über das andere erhebe. Ruedi Kümin, Christ, erzählte von einem Gottesdienst „Typisch Mann, . typisch Frau?“, der Jugendliche dazu aufforderte, positive Eigenschaften des anderen Geschlechts aufzuzählen und Klischees zu demontieren. Ursula Namdar, Baha’i, unterstrich die Einheit der Religion. Sie hat erlebt, dass es auch in ihrer noch jungen Religion lange dauerte, bis Frauen in den Leitungsgremien mitwirken durften.

In Gesprächsgruppen wurde das enorme Bedürfnis, sich auszutauschen, sichtbar. Viele Fragen tauchten auf und wurden engagierte diskutiert. Eine Muslima fragte, ob verheiratete orthodoxe Jüdinnen tatsächlich oft Perücken tragen würden. Eine Frau mit Kopftuch betonte das Recht der Frauen, die heilige Schrift selber auszulegen und zu predigen.

VAM-SketchAuch Humor ist ein guter Weg, einander besser zu verstehen: Vier junge Muslimas, verkleidet als Vertreterinnen der vier Religionen, nahmen Geschlechterdünkel in allen Religionen auf die Schippe und erzählten Witze über den eigenen Glauben und über andere. Das multikulturelle Mittagessen mit türkischen und persischen (Ursprung der Baha’i) Köstlichkeiten, koscheren Mazzen und bunten Reisgerichten wurde mit riesigem Engagement von den verschiedenen Religionsgemeinschaften
liebevoll zubereitet.

Einige Religionsangehörige führten Workshops zu speziellen Aspekten durch. Bei den Muslims wurden Koran-Texte über das Verhältnis von Mann und Frau analysiert, Z.B. Sure 4,1. Erziehung zur Gleichwertigkeit von Frau und Mann war das Thema der Baha’i. Bei den Christen erfuhr man, dass biblische Texte verschieden übersetzt werden und dass im nächsten Herbst eine Bibelübersetzung in geschlechtergerechter Sprache und mit Respekt vor der jüdischen Bibellektüre erscheint.

Die Tagung stand in der Tradition der Begegnungen, die bisher der Aargauer interreligiöse Arbeitskreis veranstaltet hat und stellt einen Meilenstein auf dem Weg der Verständigung zwischen den Religionen im Aargau dar. Der Anlass zeigte das grosse Bedürfnis, sich über religiöse und kulturelle Grenzen hinweg zu verständigen und religiöse Toleranz und gegenseitigen Respekt zu lernen.


ria / Max Heimgartner (AIRAK)