Lupfig: SVP-Podium «die Schweiz und der Islam im Jahr 2007» war mehr als nur Wahlkampf.

 

Am 5. September 2007 erschien in der Zeitung «Regional», welche für den Bezirk Brugg und die umliegenden Gemeinden erscheint, ein Bericht über die Podiumsdiskussion der SVP zum Thema «Islam in der Schweiz im Jahre 2007». Auch der Verband Aargauer Muslime (VAM) war zu der Veranstaltung, die am 29. August 2007 in Lupfig stattfand, eingeladen.

Doch, ein Aufeinanderprallen der Kulturen wars durchaus anch Meinung von «Regional» nicht, als SVP-Hardliner Andreas Glarner – ja, der mit den «Aarau oder Ankara»-Plakaten – und Halit Duran, der Präsident des Verbands Aargauer Muslime, die Klingen kreuzten. Aber ein Kampf, wie Clash oft falsch übersetzt wird, wars nicht. Sondern ein engagierter Meinungsaustausch.
Nicht dass sich alles in Minne auflöste. Aber, wie Podiumsleiter Jürg Stüssi-Lauterburg zum Schluss bilanzieren konnte, «dass eine solche Diskussion möglich ist, das ist der Erfolg». Tatsächlich ist es mehr als nur Wahlkampf, wenn, wie nach dem Podium geschehen, sich in kleinem Kreis noch rege Diskussionen entspinnen, etwa zwei junge Muslime Andreas Glarner in ein ernsthaftes Gespräch verwickeln und sich schliesslich die Dialogfähigkeit als Sieger erweist.

Es artete nicht aus

Gross war die Spannung zu Beginn. Dunkle Wolken dräuten letzte Woche über dem Lupfiger Ochsen, ein greller Blitz zuckte und erhellte den Saal. Steht auch drinnen ein Gewitter unmittelbar bevor? Wenn das mal nicht ausartet, mag der eine oder andere der über 60 Besucher befürchtet haben.
Dass es dies nicht tat – Ausnahmen bestätigten die Regel –, hatte auch mit Stüssis Gesprächsleitung zu tun. Drei Minuten hatten die Podiumsteilnehmer für ein einleitendes Statement zum Thema, keine Sekunde mehr. Der Zeitplan wurde auch sonst strikt befolgt, die Diskussion im Plenum, wo sich manch einer noch gern Luft verschafft hätte, unterbunden. Da drückte der Oberst im Generalstab durch. Was der heiklen Versuchsanlage jedoch sehr zuträglich war.

Aufschlussreiches Podium

Das war auch Stüssis versöhnlicher Einstieg: «Im Namen Gottes, so beginnt unsere Verfassung – und der Koran. Es gibt Berührungspunkte, aber auch Konfliktpunkte. Das gilt es nun auszuloten». Die Vertreterin des «Forums für einen fortschrittlichen Islam» (FFI), Jasmina el Sonbati, meinte, dass sich «der Islam in einer Sackgasse» befinde. Der nötige Prozess einer Reinterpretation des Islam werde zwar in vielen islamischen Ländern verhindert, das Forum werde aber auch künftig Tabus ansprechen und sich für Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie für das Primat der Menschenrechte einsetzen. Sie stellte klar, dass sich der Islam der hiesigen Rechtsordnung unterzuordnen habe. Sie verwies auf das Positionspapier des Forums, welches sich unter anderem stark mache für eine gleichwertige Erziehung von Knaben und Mädchen oder die Rechte von Minderheiten, zum Beispiel Homosexuellen.

Differenziertes Bild wichtig

Walter Meier, Pfarrer in Windisch, warnte vor Verallgemeinerungen und gab sich überzeugt, dass der Dialog der Religionen «einen langen Atem, Respekt und auch Liebe» brauche. Wer den Koran gut kenne, so betonte er Gemeinsamkeiten, kenne die Bibel besser als ein Durchschnittsschweizer. Meier hob aber auch Unterschiede hervor: «Bei Gewaltanwendung kann man sich wohl auf den Koran berufen, nicht aber auf die Botschaft Jesu».

«Hier gelten unsere Gesetze»

Grossrätin Sylvia Flückiger streifte den internationalen Kontext – den Aufstand nach der Papstrede, die Absetzung der Mozart-Oper oder den Karikaturen- Streit –, um ihr Unbehagen deutlich zu machen. «Muslime, die hier leben, sollen sich anpassen. Wir  aben eine christlichabendländische Kultur in der Schweiz. Hier gelten unsere Gesetze», sprach sie Klartext. Sie wies darauf hin, dass es mit der Toleranz in vielen muslimischen Ländern nicht weit her ist. Worauf ihr el Sonbati entgegnete, dass es «keine Symmetrie des Unrechts» gebe und sie die Schweiz doch nicht mit  Unrechtsstaaten vergleichen könne.
Flückiger, die sich gegen den Bau von Minaretten wehrt, diesen «Symbolen für den islamischen Machtanspruch», betrachtete die Trennung von Kirche und Staat als die grosse Herausforderung der Zukunft für den Islam.

Nicht Scharia, sondern Schweizer Rechtsordnung massgebend

Halit Duran strich heraus, dass fast 100 Prozent der Schweizer Muslime verfassungstreu seien. Man solle sie an ihren Taten messen. «Was hatten Sie je konkret von einem Schweizer Muslim zu befürchten», fragte er rhetorisch. Er bekräftigte zudem seinen Respekt vor der Bibel, die «auch ein heiliges Buch» sei, wünschte sich seinerseits echten Respekt und nicht als Feindbild wahrgenommen zu werden. «Die Gesetze der Scharia stellen wir nicht über die Schweizer Rechtsordnung», unterstrich er überdies. Sein Verband werde sich weiter für die Integration der Muslime einsetzen, wobei die Sprache der Schlüssel dazu sei. Ein Zusammenleben sei möglich, gab er sich überzeugt. Dafür sei aber auch ein Kennenlernen nötig. In diesem Zusammenhang verwies er auf den Tag der offenen Moschee vom Samstag, 8. September (siehe www.aargauermuslime.ch).

Frauen unterdrückt

Grossrätin Milly Stöckli verlieh ihrer Sorge über die Stellung der Frau im Islam respektive im Koran Ausdruck, berichtete über eigene Erfahrungen zu diesem Thema und empörte sich über die verniedlichende Diskussion. «Sie können doch die Unterdrückung der Frauen nicht verleugnen», richtete sie sich an el Sonbati und fragte, wieso das fortschrittliche Forum die Frauen denn nicht einfach dazu aufrufen würde, ihre Rechte einzufordern.

Heterogener Islam

Karl Gruber, ebenfalls Mitglied besagten Forums, machte deutlich, dass es bei weltweit 1,3 Mia. Anhängern nicht einfach einen Islam gebe. Und auch das kanonische Recht kollidiere dann und wann mit unserer demokratischen Rechtsordnung, etwa wenn eine Kirchgemeinde ihren Priester wählt und dieser danach von Rom nicht anerkannt werde. So gesehen sei das kanonische Recht eine Art «katholische Scharia», meinte Gruber, der übrigens selbst römisch-katholischer Konfession ist. Er zeichnete das Bild eines weitgehend friedlichen Islams, ja selbst für den Djihad, gemeinhin bekannt als «Heiliger Krieg», gebe es die Übersetzung «angestrengtes Bemühen um den Glauben».

«Islam eine gewaltbereite Religion»

Nicht nur dieses Euphemismus’ wegen kämpfte Grossrat Andreas Glarner schwer um seine Contenance. «Lesen Sie den Koran: Der Islam ist eine gewaltbereite Religion», ereiferte er sich, den «Vorrang des christlichen Abendlandes in der Schweiz» postulierend. Es werde einfach schwierig, wenn beispielsweise der Schulunterricht wegen des Ramadans kaum mehr möglich sei. Und nach dem Minarett komme dann der Gebetsrufer, und hätten die Muslime erst die Mehrheit, so Glarner sinngemäss, na dann gute Nacht. 40 Prozent der Muslime in Grossbritannien wollten die Scharia, ein riesiger Prozentsatz der ägyptischen Frauen sei beschnitten – und «die Verhüllung nur mit Sehschlitz, das machen die Frauen doch nicht freiwillig!» Der Koran sei nun mal eindeutig, was die Stellung der Frau angeht. «Mohammed hats ja vorgemacht, als er die Ehe an einer Neunjährigen vollzog». Nein, das hätte nicht sein müssen, bestätigte als Ausnahme aber immerhin die Regel.